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Nachricht vom 12.07.2022    

555 Schritte führten Senioren im Gelbachtal zurück in die eigene Jugendzeit

Eine Kolonne von nahenden Rollatoren vor der Jugendbegegnungsstätte Karlsheim in Kirchähr. Da musste etwas Besonderes los sein! War es auch: Die Senioreninitiative "555 Schritte - fit bis ins höchste Alter" im Buchfinkenland war im Anmarsch.

Die hochaltrigen Gäste der 555er fühlten sich im Karlsheim am Gelbach beim Heimatquiz mit Kaffee und Kuchen sichtlich wohl. Foto: Uli Schmidt

Kirchähr/Gackenbach. Nach einem Spaziergang (soweit das den einzelnen altersbedingt noch möglich ist), wartete ein abwechslungsreiches Programm auf die hochbetagten „Buchfinken“. Dabei war auch die wechselhafte Geschichte der gastgebenden Jugendeinrichtung ein Thema.

Das Wetter hätte für die durch Corona leider geschrumpfte Bewegungsgruppe besser nicht sein können: nicht zu warm, ein leichtes Lüftchen über den Buchfinkenlandhöhen und dazu trocken. Trotzdem zeigte es sich: die Pandemie hat in Verbindung mit dem fortgeschrittenen Alter bei vielen „555ern“ Spuren hinterlassen: es will nicht mehr so richtig klappen mit dem Spazierengehen – da ist es einfacher in die bereitgestellten Kleinbusse einzusteigen und zum Ziel zu fahren. Zumal dieses diesmal weit unten im Gelbachtal lag. Aber bald waren alle Senioren aus Hübingen, Gackenbach und Horbach sowie aus dem Seniorenzentrum Ignatius-Lötschert-Haus im Karlsheim angekommen und nach einem kühlen Getränk konnte das Programm starten.

Dieses sah für die monatlichen Treffen eine innovative Neuerung vor: Unter dem Motto „So war das früher bei uns im Buchfinkenland“ wollen sich die Teilnehmenden künftig in einer Gesprächsrunde immer mit einem Aspekt der Geschichte ihrer Kleinregion beschäftigen. Was lag da zum Auftakt näher, als sich auf die Spuren des traditionsreichen Karlsheimes zu begeben.

Als langjähriger Heimleiter der bekannten Jugendeinrichtung begrüßte Johannes Schmitt die Gäste im großen Tagungsraum. Er wies darauf hin, dass die Einweihung des Karlsheims am 3. Juni 1928, dem Dreifaltigkeitssonntag, stattfand. Zuvor sei das ehemalige Pfarrhaus aus dem Jahr 1680 zu einem Freizeit-, Tagungs- und Wanderheim für die katholische Jugend des Bistums Limburg umgebaut und die Kirche von der Jugend wieder hergerichtet worden. „Heute sind wir stolz darauf, dass wir nach der Generalsanierung von 2010/2011 eine moderne Jugendbegegnungsstätte mit 110 Betten und 12 Seminarräumen nutzen dürfen“, so Schmitt, der 33 Jahre Chef des Hauses war und diesem bis heute eng verbunden ist.

Tief in die Geschichte des Karlsheimes mit einem Schwerpunkt auf die Zeit des Dritten Reiches tauchte dann der Heimathistoriker Bernd Schrupp (Vielbach) ein. „Nach 1933 weckte das katholische Karlsheim die Aufmerksamkeit der Nazis“, so der Referent. Als Folge musste über dem Haus die Hakenkreuzfahne gehisst werden und eine Hausdurchsuchung der Gestapo folgte. Ab Ende 1938 wurden Juden, deren Deportierung bzw. Umsiedlung geplant war, für die Region zentral im Karlsheim gesammelt und vorübergehend dort untergebracht. Schrupp erinnerte auch daran, dass das Haus dann beschlagnahmt und im Oktober 1939 von der Hitlerjugend übernommen wurde. „Davon, dass nicht alle Jugendlichen damit einverstanden waren, zeugt die Tatsache, dass christliche Jungmänner unter großer Gefahr ins Karlsheim eingedrungen sind und unter anderem die Hakenkreuzfahne heruntergerissen haben“.



„Von großen Zeltlagern mit bis zu 1.200 Jugendlichen war Kirchähr bei der christlichen Jugend früher bundesweit bekannt“, so der 1930 geborene Zeitzeuge und Kirchenexperte Wolfgang Ackva aus Montabaur in seinem eindrucksvollen Vortrag. Er schilderte, wie er als 15-jähriger mit Jugendgruppenleitern in den Anfängen des Karlsheimes im dortigen alten Pfarrheim tagte. Später war er auch Organist in der alten Pfarrkirche in Kirchähr und ist dem Ort bis heute eng verbunden geblieben. Danach hatten die Buchfinkensenioren das Wort: Unter anderem Manfred Kappler und Hermann Girmann konnten die eine oder andere historische Begebenheit oder Anekdote rund um das Gelbachtal beitragen.

Anschließend durften sich alle auf Kaffee und frischen Kuchen im Speisesaal freuen. Dabei moderierte Franz-Josef Jung wieder das beliebte Heimatquiz. So konnte von Landwirt Josef Schlosser das Rätsel gelöst werden, dass unsere Region 1947 eine Hitzewelle mit deutlichen Ernteausfällen überstehen musste. Kein Problem war auch die Antwort auf die Frage, was im Westerwald ein „Euler“ ist: natürlich ein Töpfer, so eine Bewohnerin des Seniorenzentrums! Heimleiter Sebastian Frei verabschiedete die Gäste dann nach zwei schönen Stunden mit der Aufforderung aus dem Karlsheim: „Ihr seid immer wieder herzlich willkommen“.

Zuvor wurden die 555er auf das weitere Programm eingestimmt. Sie erwartet am 3. August ein Orgelkonzert in der Gackenbacher Pfarrkirche mit Ralf Cieslik und anschließendem Beisammensein im benachbarten Pfarrheim. Dabei geht es unter dem Motto „So war das früher bei uns im Buchfinkenland“ um die frühere herausragende Bedeutung der Gastwirtschaften in der Kleinregion. Am 7. September ist ein Ausflug zum Industriedenkmal „Sayner Hütte“ in Bendorf am Rhein geplant und am 5. Oktober eine Bewegungseinheit mit der AOK im Buchfinkenzentrum. Besonders willkommen sind „Neue“ ab 80 Jahre, ohne die das Projekt keine Zukunft hat. Wer bei den 555ern mit anpacken will, Ideen zum künftigen Programm hat oder sonst etwas beitragen will, kann sich gerne im Altenheim „Ignatius-Lötschert-Haus“ in Horbach oder beim Orgateam unter uli@kleinkunst-mons-tabor.de melden.


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